Wohl gesetzte Worte schüren die Spannung

„Der Name des Windes“, der erste Teil der Königsmörder-Trilogie von Patrick Rothfuss, beginnt im Wirtshaus zum WEGSTEIN. Man spürt förmlich die gemütliche Atmosphäre darin, während das Gespräch zwischen einigen Männern beschrieben wird, die dort sitzen und ihre Zeit miteinander verbringen. Der Wirt als unaufdringlicher Geselle im Hintergrund, der neue Getränke reicht und seine Theke poliert, erscheint irgendwie nur so nebenbei. Doch dann betritt Carter das Wirtshaus und berichtet, dass er draußen von Wesen angegriffen wurde, die sein Pferd getötet haben, und alle weichen vor dem Kadaver des Wesens zurück, den er mitgebracht hat. Nur einer nicht. Und spätestens hier merkt man, dass der Wirt nicht einfach nur ein Wirt ist. Mit wohlgesetzten Worten wird eine Spannung um ihn erzeugt, der man sich nicht wiedersetzen kann. Er ist ein geheimnisvoller Mann, eigentlich zu jung, um schon ein eigenes Gasthaus zu besitzen, und anscheinend verbirgt er etwas. Über die Situation mit dem Wesen weiß er mehr als die anderen, und man möchte unbedingt herausfinden, was alles dahinter steckt.

Als schließlich der Chronist auftaucht (allein wie er eingeführt wird, ist brillant), bekommt man eine Bestätigung dafür, dass der Wirt bereits so einiges erlebt hat, denn der Chronist überredet ihn dazu, ihm seine Geschichte zu erzählen, damit er sie aufschreiben kann. Der Chronist hat eigentlich nicht viel Zeit, aber die Geschichte scheint ihm so wichtig zu sein, dass er ihm nach einigen harten Verhandlungen drei Tage einräumt, um sie zu erzählen. Zum Vergleich: Die längste Zeit, die jemand gebraucht hat, um seine Geschichte zu erzählen, waren zwei Tage. Und da war es ein achtzigjähriger Mann, der genug Lügen erzählt hat, als hätte er fünfhundert Jahre gelebt, sagt der Chronist. Die Erwartungen sind also hoch, sowohl beim Chronisten als auch beim Leser.
Und dann beginnt Kvothe zu erzählen, denn genau um ihn handelt es sich bei dem Wirt.

 

Die Lebensgeschichte des Königsmörders

Kvothe ist ein hochintelligenter, charismatischer junger Mann. Wäre es ein Pen-und-Paper-Rollenspiel, er wäre überspitzt gesagt eine Art eierlegende Wollmilchsau, bei den ganzen Fähigkeiten, die er sich so nach und nach antrainiert. Und wenn er etwas lernt, dann richtig. Mit Selbstverständlichkeit und einer guten Portion Durchhaltevermögen meistert er alles, was er anpackt. Bis auf den Namen des Windes. Bisher. Nach einer Weile ist er Schauspieler, Dieb, Barde, Gelehrter, Magier und noch so einiges mehr. Gleichzeitig ist er unglaublich sympathisch und weiß genau, wie er durch seine Geschichte Spannung erzeugt. Man weiß nie so genau, ob er nicht ein kleines bisschen übertreibt, aber eigentlich möchte man ihm alles so abnehmen, wie er es erzählt, denn es klingt logisch, und anscheinend hat er sich etwas dabei gedacht, wie er die Ereignisse berichtet. Er führt den Leser selbstbewusst durch sein Leben, jedes Buch ist ein Tag seiner Erzählung. Fast nebenbei macht er unglaubliche Ankündigungen: Er wird Prinzessinnen aus den Händen schlafender Unholde befreien, die Stadt Trebon niederbrennen, mit Göttern sprechen und, ach ja, er wird einen König ermorden.

Die Geschichte ist sehr durchdacht aufgebaut, und besonders bei der Rahmenhandlung im Wirtshaus spürt man, dass jedes Wort sitzt. Mit nur wenigen Worten lernt man den Wirt schon richtig gut kennen, bevor man überhaupt seinen richtigen Namen erfährt und die Neugier wird geschürt, zu erfahren, wie Kvothe zu dem Mann wird, der er ist. Und was er alles erlebt hat.

Durch die Perspektive, die zwischen dem Ich-Erzähler in Kvothes Erzählung und dem auktorialen Erzähler im Wirtshaus wechselt, wird einerseits eine Nähe zu Kvothe geschaffen, die seine Entscheidungen gut nachvollziehbar macht, und andererseits hat man einen Überblick, sowohl was die anderen Wirtshaus-Besucher und zum Beispiel sein Lehrling Bast über ihn denken.

 

Meine Meinung:

Ich mag die intensiven Beschreibungen von allem. Seien es nun die bereisten Orte oder Nebencharaktere, die auftauchen. Die Eltern von Kvothe zum Beispiel, er ein fahrender Schauspieler der Edema Ruh, sie eine Adelige, die mit ihm durchgebrannt ist, sind ganz wunderbar und es ist schön zu sehen, wie verliebt sie auch nach all den Jahren immer noch sind.
Oder die kleinen Geschichten und Lieder, die überall erzählt und gesungen werden, und einen Teil des Hintergrundwissens liefern, die man braucht, um diese Welt zu verstehen.
Oder Kvothes Verbindung zur Musik, sie ist fast greifbar. Allein die Beschreibung, wie er sich selbst in seinem Sommer allein im Wald beibringt, Naturereignisse zu spielen, ist bewundernswert. Ich glaube, so kann selbst jemand, der nicht oder kaum musikalisch ist, verstehen, was die Musik für Kvothe bedeutet. Und spielen hören würde ihn sicher jeder gern mal!

Das Cover gefällt mir im Deutschen besser als das Original, was meiner Empfindung nach eigentlich öfter umgekehrt ist.

 

Fazit:

Ein Lieblingsbuch! Gut zu lesen, atmosphärisch dicht, spannend erzählt, toll übersetzt! Ein wahrer Lesegenuss. Sprachlich und erzählerisch ein Fest.

Ich warte darauf, dass endlich der dritte Tag als Buch erscheint. Aber ich warte gern. Lieber etwas länger warten, und das Buch wird dafür richtig gut.
Außerdem habe ich gesehen, dass es wohl eine Filmumsetzung mit der Handlung aller drei Tage geben wird, und eine Serie, die in Kvothes Welt spielt. Man ist gespannt!